Wissenschaftler vom Max Planck Center in China entschlüsseln erste Schritte der iPS-Technologie
Sox2 öffnet die DNA, Oct4 übernimmt die Führung in der Pluripotenz
Im pulsierenden Umfeld des GIBH - Max Planck Center for Regenerative Biomedicine identifizierte ein Team von Wissenschaftlern die ursprünglichen molekularen Mechanismen der faktorinduzierten Reprogrammierung von differenzierten in pluripotente Zellen. Diese Methode der Reprogrammierung zur Herstellung so genannter induzierter pluripotenter Stammzellen (iPS) wurde erstmals 2006 veröffentlicht und erhielt 2012 den Nobelpreis für Physiologie bzw. Medizin. Die genauen molekularen Mechanismen blieben jedoch ein Rätsel. In ihren aktuellen Studien, die in Nature Communications veröffentlicht wurden, zeigten die Wissenschaftler vom Max Planck Center überraschenderweise, dass der Transkriptionsfaktor Sox2 und nicht Oct4 der erste Schlüsselfaktor bei der Reprogrammierung ist und Oct4 erst in späteren Phasen der Reprogrammierung an Bedeutung gewinnt. Diese Erkenntnisse ermöglichen eine schnellere, effizientere und getreuere iPS-Reprogrammierung von Körperzellen - eine Voraussetzung dafür, dass diese Zellen beispielsweise zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden können, welche durch zelluläre Schäden verursacht werden.
Seit der Entdeckung der faktorinduzierten Reprogrammierung haben viele Laboratorien daran gearbeitet, deren Wirkmechanismen zu entschlüsseln. Während einige Laboratorien Oct4, Sox2, Klf4 als Pionierfaktor eingestuft haben, zeigten andere, dass es sich hierbei nicht um Pionierfaktoren handelt, und dass diese vorwiegend offenes Chromatin binden. So blieb das Thema umstritten.
Ein Team vom Max Planck Center unter der Leitung des Doktoranden Vikas Malik und seines Mentors Ralf Jauch konzentrierte sich auf die Regulatorproteine Oct4 und Sox2, von denen bekannt war, dass sie eine dominante Rolle bei der Reprogrammierung spielen: Seit langem weiß man, dass Oct4 und Sox2 zusammenwirken, um diejenigen Gene zu regulieren, die für die Selbsterneuerung und Pluripotenz von Stammzellen erforderlich sind. Die Besonderheit ihrer Arbeit war jedoch, dass sie eine modifizierte Version von Oct4 verwendeten, die nicht mit Sox2 interagiert.
„Wir verglichen, wie die Mutante und der Wildtyp von Oct4 in Verbindung mit Sox2 an Genen binden, diese herausarbeiten und aktivieren werden, mit Faktoren, die nicht in der Lage sind, pluripotente Zellen zu bilden“, erklärt Vikas Malik. „Wir haben einige sehr überraschende Entdeckungen gemacht“, sagt Vikas Malik. „Vor allem haben wir festgestellt, dass Sox2 und nicht Oct4 der auslösende Schlüsselfaktor bei der Reprogrammierung ist: Sox2 ‚attackiert‘ Pluripotenzgene, die sonst in differenzierten Zellen schlummern und öffnet sie – eine Voraussetzung für ihre spätere Aktivierung. Oct4 ist in dieser Anfangsphase nicht wirklich wichtig, sondern spielt die Rolle eines austauschbaren Assistenten.“
Doch die Einzigartigkeit des Oct4 zeigt sich in späteren Phasen der Reprogrammierung: „Um schließlich das Netzwerk von Genen zu stimulieren, die eine Zelle benötigt, um pluripotent zu werden, vermengen sich Sox2 und Oct4 stark und erledigen die Arbeit gemeinsam“, erklärt Vikas Malik. Sobald die Zellen pluripotent geworden sind, übernimmt Oct4 die Führung und die enge Verbindung zu Sox2 wird weniger relevant.
„Unsere Erkenntnisse werden Anregungen liefern, um mit Sox2, Oct4 und verwandten Faktoren zu experimentieren, um den Zustand von Körperzellen schneller, effizienter und getreuer zu verändern, so dass diese programmierten Zellen schließlich zur Behandlung von Krankheiten verwendet werden können, die durch Zellschäden verursacht werden“, so Ralf Jauch.
Die Arbeit war eine internationale Initiative von Wissenschaftlern aus Guangzhou auf dem chinesischen Festland, sowie aus Hongkong, den Vereinigten Staaten und Deutschland und wurde im pulsierenden Umfeld des GIBH - Max Planck Center for Regenerative Biomedicine durchgeführt.
„Diese Publikation ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie nützlich die Max Planck Center sind“, erläutert Ralf Jauch, der selbst Forschungsleiter und Professor an den Guangzhou Institutes of Biomedicine and Health war und nun an die School of Biomedical Science der Universität von Hongkong gewechselt ist. „Ohne die unbürokratische Zusammenarbeit mit unseren Partnern aus den Max-Planck-Instituten für molekulare Biomedizin sowie für Herz- und Lungenforschung hätten wir diese Studien nicht durchführen können.“
Über das Max Planck - GIBH Joint Center for Regenerative Biomedicine
Max Planck Center (MPC) sind wissenschaftliche Kooperationsinitiativen der Max-Planck-Gesellschaft, die den wissenschaftlichen Beziehungen zu ausländischen Spitzenpartnern in zukunftsorientierten Forschungsbereichen eine neue Qualität verleihen. Die beteiligten Max-Planck-Institute und ihre internationalen Partner bringen ihre Erfahrungen und ihr Fachwissen ein und schaffen durch die Kombination komplementärer Methoden und Kenntnisse einen wissenschaftlichen Mehrwert. Das GIBH - Max Planck Center for Regenerative Biomedicine entstand 2016 und war das erste Max Planck Center in China. Im Jahr 2020 wird das GIBH - Max Planck Center for Regenerative Biomedicine als erstes MPC weltweit über ein eigenes großes Labor verfügen.